Konzert 14. November 2015 in der Laeiszhalle Hamburg
Jan Dismas Zelenka: Miserere in c-Moll
Ralph Vaughan Williams: Dona Nobis Pacem
Tarik O’Regan: Triptych
Dass dieses Konzertprogramm, das um die Themen Krieg, Frieden und Versöhnung kreiste, eine solche Aktualität erlangen würde, war zum Zeitpunkt der Planung nicht abzusehen. Erschüttert von den Terroranschlägen in Paris am Vorabend und unter dem Eindruck der Bilder von flüchtenden Menschen aus den letzten Monaten, erlebten Publikum und Mitwirkende in der Laeiszhalle einen bewegenden Abend. Er schloss mit einer Zugabe aus Vaughan Williams’ Dona Nobis Pacem. Chor und Sopranistin Karola Pavone sangen a cappella ein Stück aus dem 3. Satz, der das Gedicht „Reconciliation“ (Versöhnung) von Walt Whitman vertont: „Schön, dass der Krieg und all sein Gemetzel am Ende doch gar nichts ausrichten können …“ Vielleicht galt der Beifall in diesem Moment auch der Hoffnung, die in der Musik ausgedrückt wurde.
Ist Frieden möglich? Gibt es Rettung vor Krieg und Elend? Und welche erstarrten Ideologien, welche Feindbilder müssen dafür aufbrechen? Diese Fragen zogen sich als roter Faden durch das Konzert, das der Franz-Schubert-Chor Hamburg am 14. November 2015 um 20 Uhr in der Hamburger Laeiszhalle aufführte. Mit drei selten gehörten Werken ist der Chor dabei selbst aufgebrochen – zu wenig bekannten Ufern der Chormusik. Von dort brachte er dem Publikum mitreißende Rhythmen, zu Herzen gehende Melodien und spannungsreiche Klangbilder mit.
Das Dona Nobis Pacem des britischen Komponisten Ralph Vaughan Williams (1872–1958) entstand 1936 unter dem Eindruck des drohenden Zweiten Weltkriegs. Pauken, Trompeten und Kriegsgeschrei beschwören musikalisch die Hetze und die Schrecken des Kriegs herauf, der alles Gewohnte aufbricht und umstürzt. Dazwischen halten Chor und Solisten in schwebenden Passagen inne und ziehen die Bilanz des Schlachtens, um immer wieder eindringlich zu bitten: Gib uns Frieden!
Der Brite Tarik O’Regan (*1978) schrieb den ersten Teil seines Werkes Triptych 2004 für eine Reihe von Konzerten in Jerusalem und dem Westjordanland. Es endet mit dem Psalmwort: „Siehe, wie gut es ist, wenn Menschen in Eintracht miteinander leben!“ Auch wenn das in der Realität ein unerfüllter Wunsch bleibt: Der Komponist demonstriert in seinem Werk die Zusammengehörigkeit der Völker und Kulturen. Er verwendet Texte aus der Bibel, aus europäischer, arabischer und persischer Dichtung und bedient sich bei nordafrikanischen Rhythmen, Jazzharmonien und Minimalismus – Genres, die er gekonnt aufbricht, um daraus etwas Eigenes zu formen.
Jan Dismas Zelenka (1679–1745), der unbekanntere Zeitgenosse Bachs, vertont in seinem eindringlichen Miserere in c-Moll den bekanntesten biblischen Bußpsalm. Mit drängenden Rhythmen und effektvollen Reibungen erklingt der Klageruf der Menschheit, die mit ihrem Handeln Schuld auf sich geladen hat. Am Ende wiederholt Zelenka die Anfangsworte „Herr, erbarme dich meiner“ noch einmal, als wollte er betonen: Reue ist Umkehr; nur die veränderte innere Haltung ermöglicht es, zu Neuem aufzubrechen.
Mitwirkende:
Sopran: Karola Pavone
Bariton: Lars Grünwoldt
Franz-Schubert-Chor Hamburg
Neue Philharmonie Hamburg
Leitung: Christiane Hrasky